Erdbeben, Berge, Wein, Avocado und Brot. Diese fünf Wörter reichen laut unserem Santiago-Guide Diego, um Chile perfekt zu beschreiben.
Kein Wunder, dass wir uns in Santiago – trotz der für uns unglaublichen Dimensionen von knapp acht Millionen Einwohnern – von Anfang an direkt wohl fühlen. Wer kann sich in einem Land, dass gigantische Berge hat, wo die Menschen Brot, Wein und Avocado lieben und wo man sich bereits um 17.00 Uhr zur “Once”, der chilenischen Nachmittagsmahlzeit trifft, nicht wohl fühlen.
Nur auf die Erdbeben könnten wir verzichten. Da Chile allerdings auf dem sog. Ring of Fire, also dem Pazifischen Feuerring liegt, ist das Land eine der am meisten von Erdbeben gefährdeten Regionen der Erde und gerade kleine Erdbeben gehören hier quasi zum Alltag der Bevölkerung.
Es verwundert daher kaum, dass in Chile auch das schwerste jemals gemessene Beben überhaupt registriert wurde, im Jahr 1960 bebte die Erde in der Stadt Valdivia mit einer Stärke von unglaublichen 9,5.
Aufgrund des Feuergürtels gibt es übrigens auch eine beeindruckende Zahl aktiver Vulkane in Chile, um die 90 (!) Stück sollen es derzeit sein und einige von ihnen werden wir auf unserer Weiterreise durch das Land auch zu Gesicht bekommen. Wir sind jetzt schon ganz aufgeregt.
15 Stunden Flug bis nach Santiago
Obwohl zunächst alle Zeichen auf Grün standen, startete unser Flieger mit knapp 20 Minuten Verspätung, was bei einer kalkulierten Flugzeit von 14 Stunden und 45 Minuten wahrlich kein Geschenk war.
Hinzu kam, dass die Sitzabstände bei unser Airline Level, der Billigfluglinie der Iberia, zwar gerade noch ok, aber nicht sonderlich großzügig waren.
Kurz nach dem Start passierten dann jedoch bald ein paar erfreuliche Dinge: 1. Unsere einzige Sitznachbarin in der 4-er Reihe verschwand kurz nach dem Stand auf einen anderen Sitzplatz, so dass wir luxusmäßig vier ganze Plätze für uns hatten und 2. die Flugzeit verkürzte sich doch nochmal um einige Minuten, so dass wir am Ende sogar noch 15 Minuten vor der geplanten Ankunftszeit landeten.
Dank unseres Sitzluxus und des halbwegs erträglichen Geräuschpegels war der Flug dann trotz der langen Flugzeit ziemlich erträglich und wir brachten die Zeit mit Lesen, Kniffeln, Musik- und Hörbuchhören, Dösen, Schlafen, Film schauen und Essen ganz gut rum.
Besonders begeistert waren wir mehrfach von unserer riesigen Essenstüte, dank der wir trotz fehlender Bordverpflegung nie hungern mussten und die wir sogar halbwegs abwechslungsreich zusammen gestellt hatten.
Wir erreichten Santiago de Chile um 19.15 Uhr Ortszeit. Die Immigration ging schnell, nur auf Kais Rucksack mussten wir dann ewig warten. Er war tatsächlich das vorletzte Gepäckstück unseres Fluges, das auf dem Kofferband verladen wurde 😉
Danach deklarierten wir noch unsere restlichen Essensachen am Zoll und schon waren wir auf dem Weg zu dem Shuttlebus, der glücklicherweise vom Airporthotel angeboten wurden.
Während des Fluges hatten wir erst noch Sorge gehabt, dass wir für den Transfer, der nur einmal in der Stunde fuhr, ggf. viel zu früh sein würden, am Ende kamen wir aber gemeinsam mit dem Bus an der Haltestelle an.
Aufgrund der späten Ankunftszeit hatten wir uns trotz des Preises ein Airporthotel gegönnt, so dass der Transport nun glücklicherweise nicht lange dauerte. Zudem handelte es sich um ein La Quinta, einer leicht gehobeneren US-Hotelkette, so dass wir uns in unserem Zimmer – ganz USA-mäßig – über ein XXL-Bett und massenhaft Kissen freuen konnten.
Viel passierte dann auch nicht mehr und wir fielen schon bald müde ins Bett.
Großstadthipster
Obwohl wir dank des Jetlags in der Nacht zwischendurch ein wenig länger wach waren, schliefen wir in der Gesamtschau großartig und krochen erst nach sieben aus dem Bett.
Da wir heute nichts vorhatten, außer um 15.00 Uhr in unser Apartment in Santiago City einzuchecken, blieben wir ewig im Bett und gönnten uns dann – ganz budgetunbewusst – tatsächlich das teure Hotelbuffet zum Frühstück.
Immerhin waren wir mit Schädigungsabsicht dabei und so dauerte auch das Frühstück sehr lange.
Danach verkrochen wir uns wieder ins Bett, bevor wir schließlich um 13.00 Uhr wirklich auschecken mussten und uns einige Zeit später auf den Weg ins Zentrum machten.
Unser größtes Problem war, dass wir für den öffentlichen Nahverkehr eine Prepaid-Karte benötigten, die nur mit Bargeld, das wir nicht hatten, bezahlt werden konnten.
Da in unmittelbarer Umgebung kein Geldautomat aufzutreiben war, ließen wir uns letztendlich mit einem Uber zur nahegelegenen Metrostation fahren. Grandioserweise funktionierte hier von sechs ATMs nur einer, dementsprechend lang war auch die Schlange. Noch schlimmer war, dass die Gebühren mit knapp 10,- EUR fast als betrügerisch bezeichnet werden können.
Aber es half nichts, also holten wir das Geld und besorgten uns im Anschluss die Karte für den Nahverkehr, die wir auch gleich aufladen ließen.
Kurze Zeit später saßen wir schon in der Metro, die uns in knapp 20 Minuten in die Stadt brachte, danach waren es nur noch wenige Meter bis zu unseren Apartment.
Dieses war zwar nicht sonderlich groß, aber immerhin sauber und wirkte auf den ersten Blick so, als könnten wir er hier auch zehn Tage aushalten. Zudem lag es im 20. Stock, so dass wir uns wirklich ein bisschen wir Großstadt-Hipster fühlten.
Danach passierte nicht mehr viel, wir besorgten in dem kleinen Supermarkt um die Ecke noch schnell ein paar Kleinigkeiten zum Abendessen und Frühstücken und gaben uns dann auf unserem Sofa und später im Bett völlig dem Jetlag hin.
Mega-Mall
Obwohl uns der Jetlag weiterhin fest im Griff hatte, standen wir aus Trotz nicht vor sechs Uhr morgens auf. Da es dann allerdings immer noch ziemlich früh war, tranken wir erst einmal diverse Kaffee und frühstückten ganz in Ruhe.
Nun stellten wir auch fest, dass unser Kühlschrank leider nicht funktionierte, so dass wir zunächst unseren Gastgeber kontaktieren mussten, der uns allerdings glücklicherweise Abhilfe im Laufe des Tages versprach.
Dann erledigten wir einige organisatorische Dinge für die nächsten Wochen, denn irgendwie haben wir es nicht geschafft auf dem Camino irgendetwas für unsere Zeit hier vorzubereiten. Daher wurden den gesamten Vormittag Flüge gebucht, Hotels und aktuelle Tourpreise gecheckt und der grobe Plan für die nächsten Tage erarbeitet.
Gegen Mittag machten wir uns dann auf den Weg in die knapp zwei Kilometer entfernte Shoppingmall, die sich als echtes Monster entpuppte. Das Gebäude war riesig und wir irrten lange, total verstört von dem ganzen Konsum und der vielen Menschen, durch die Gänge, wobei wir auch begeistert von dem vielfältigen Angebot waren.
Am Ende schafften wir es immerhin neue Turnschuhe für Kai zu ergattern und uns eine SIM-Karte zu besorgen. Anschließend wollten wir noch in dem sich hier ebenfalls befindenden Supermarkt einkaufen, da es in unserer Umgebung nur kleine Läden gibt.
Der Jumbo entpuppte sich als das zweite Monster des Tages. Ungelogen, obwohl in den USA schon immer alles extragroß ist, aber wir haben noch nie in unserem Leben so einen riesigen Supermarkt gesehen. Total überfordert und begeistert liefen wir die Gänge ab und konnten uns bei dem ganzen Angebot fast gar nicht entscheiden.
Richtig schlimm wurde es dann, als wir die Brottheke fanden, die tatsächlich eine ganze Reihe echtes deutsches (Schwarz-)Brot zu bieten hatten. Da schlugen wir auf jeden Fall zu.
Nachdem wir endlich alles beisammen hatten, ging es zurück in unser Apartment, mittlerweile waren wir auch schon wieder ziemlich müde geworden.
Dort angekommen, war der neue Kühlschrank da und wir gönnten uns eine richtig leckere Scheibe deutsches Brot mit Stinkekäse. Nach der 11-monatigen Abstinenz war das auf jeden Fall ein Highlight.
Danach passierte nicht mehr besonders viel, wir aßen Nudeln mit Pesto zum Abendessen und versuchten anschließend müde irgendwie die Zeit bis zum Schlafengehen zu überbrücken, die Kai unter anderem dazu nutzte, sich mit der Kamera auf dem Balkon auszutoben.
Free Walking Tour
Nachdem wir gestern bereits gegen 20.00 Uhr vor dem Laptop eingeschlafen waren, schafften wir es heute trotzdem schon bis um 05.00 Uhr durchzuschlafen. Wir robben uns also langsam ran, bald ist der Jetlag besiegt.
Den Morgen verbrachten wir erneut gemütlich, erst mit Kaffee im Bett und anschließend mit einem ausgiebigen Frühstück.
Danach war es dann auch fast schon Zeit in die Stadt zu fahren, denn heute wollten wir uns ein wenig Santiago Downtown anschauen. Um dabei gleich auch noch etwas mehr über die Stadt und die chilenische Geschichte zu lernen, hatten wir uns diesmal für eine Free Walking Tour entschieden.
Diese startete um 10.00 Uhr an der noch ziemlich verlassenen Plaza de Armas, denn Sonntag ist in Chile – ähnlich wie bei uns – ein freier Tag. Nur die Supermärke, Restaurants und Geschäfte in den großen Malls haben geöffnet.
Unser Guide hieß Diego und obwohl Kai und ich heute die einzigen Teilnehmer waren und er damit an seinem sonst auch freien Tag deutlich weniger verdienen würde, als erhofft, war top motiviert.
Wir blieben zunächst einige Zeit an der Plaza de Armas, dem zentralen Platz der Stadt, wo wir im Schnelldurchlauf einiges über die Geschichte der umliegenden Gebäude und über die Besiedlungsgeschichte Chiles lernten.
Anschließend gingen wir durch die am Sonntagmorgen fast menschenleeren Straßen zum Präsidentenpalast La Moneda, wo eine Statue an den ehemaligen Präsidenten Salvador Allende erinnert, der sich während des Militärputsches durch Augusto Pinochet das Leben genommen hatte.
Diego führte uns weiter durch das Regierungsviertel zum ältesten Gebäude der Stadt, einer Kirche, deren Grundmauern nur wenige Jahre nach der Stadtgründung durch die Spanier im 16. Jahrhundert erbaut wurden. Dies ist deswegen bemerkenswert, da Santiago im Schnitt alle drei Jahre ein schweres Erdbeben erlebt und dementsprechend früher die meisten Gebäude regelmäßig zerstört wurden.
Heute sind interessanterweise nahezu alle Gebäude erdbebensicher gebaut und Chile hat neben Japan weltweit die strengsten Vorschriften zur Erdbebensicherheit von Bauwerken, die auch eingehalten werden. Aufgrund dieser Anstrengungen ist bei dem letzten schweren Erdbeben in Santiago tatsächlich nur ein einziges Gebäude eingestürzt ist. Sehr beeindruckend, wie wir finden.
Im Anschluss gingen wir weiter zum Cerro Santa Lucia, von wo wir heute bei mittelguter Sicht sogar die Anden sehen konnten. Zum Abschluss wurde uns das Szeneviertel Lastarria gezeigt und wir beendeten die Tour vor dem historischen Centre Gabriele Mistral, in dem sich mehrere Kunstaustellungen befinden.
Die Tour hat uns richtig gut gefallen, da wir einen interessanten Einblick in die ältere und auch jüngere Geschichte Chiles bekamen.
Aber auch in der heutigen Zeit und der nahen Zukunft bleibt es in Chile spannend, denn dieses Jahr jährt sich die Machtergreifung Pinochets zum 50sten Mal. Dies führt derzeit zu großen Spannungen im Land, einerseits, da die Verbrechen der damaligen Militärdiktatur nicht aufgearbeitet wurden und andererseits, weil immer noch eine recht große Zahl von Chilenen Anhänger der damaligen Diktatur sind.
Außerdem haben die Unruhen der letzten Jahre dafür gesorgt, dass momentan die erste demokratisch legitimierte Verfassung des Landes ausgearbeitet wird, die die alte, welche 1980 von der Militärregierung ausgearbeitet wurde, ersetzen soll.
Nach fast drei Stunden voller Informationen waren wir fix und fertig und fuhren mit der Metro zu unserer Wohnung zurück. Hier aßen wir wundervolles, deutsches Brot zu Mittag, wuschen unsere Wanderrucksäcke in der Badewanne und betrieben Blogpflege.
Der restliche Abend verging ohne weitere Vorkommnisse und wir gingen erneut früh zu Bett, zum einen, weil wir immer noch schrecklich müde sind und zum anderen, weil wir morgen an unserem ersten Schultag fit sein wollen.
Schreibe einen Kommentar