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16.08.2023: Lehrreiche Tage in Medellín

Reisen macht die Welt und uns Menschen einfach besser. Davon sind wir fest überzeugt. Wir brechen unsere alten Denkweisen auf, werden flexibler und vor allem steigt unser Verständnis für andere Kulturen.

Deshalb ist eine Langzeitreise auch mehr als nur Nicht-Arbeiten, Ausschlafen, Essen oder am Strand abhängen bzw. in unserem Fall sich auf irgendeinem Trail rumzutreiben. Es geht darum mehr über die Geschichte der Länder und Menschen zu erfahren, in denen wir uns befinden.

Hinsichtlich der Historie des südamerikanischen Kontinentes, gerade im Hinblick auf die spanische Eroberung und die Unabhängigkeitskriege, wissen wir mittlerweile aufgrund der vielen Touren und Gespräche mit Einheimischen schon ziemlich viel, aber das reicht uns nicht.

Gerade über Kolumbien, ein Land mit einer bewegten Geschichte und das auch weiterhin noch oft mit vielen Vorurteilen belastet ist, möchten wir noch so viel mehr erfahren und so starten wir in Medellín einen richtigen “Tour-Marathon”.

Nach der total interessanten Stadttour in Bogotá lernten wir hier daher in nur zwei Tagen noch mehr über das Land, die Stadt, aber auch die lokalen Leckereien und wechselten in unser Stimmung quasi stündlich zwischen bestürzt und begeistert.

Das, was wir hier gehört haben, hat einen starken Eindruck auf uns gemacht, deswegen möchten wir einiges der Geschichte Kolumbiens/ Medellíns gerne mit Euch teilen und hoffen, dass Ihr genau so interessiert seid, wie wir.

P.S.: Wir geben die Infos hier so wieder, wie wir sie von den Guides erzählt bekommen haben und haben nachträglich nicht recherchiert. Sofern Ihr hier also (historische) Fehler finden solltet, tut uns das Leid. Sagt uns dann gerne Bescheid.

Ab in die “Stadt des ewigen Frühlings”

Heute war es mal wieder an Zeit weiterzuziehen, also klingelte unser Wecker bereits um kurz vor sechs.

Nachdem wir und unsere Rucksäcke fertig waren, ging es auf demselben Weg wie vor zwei Tagen zurück zum Busbahnhof von Manizales, erst mit dem Taxi zur Seilbahn und dann mit dieser weiter zum Terminal.

Dort angekommen, lief alles problemlos und der kleine Sprinter fuhr dann auch nahezu pünktlich ab. Zu Beginn flutschten wir wunderbar durch den Verkehr und kamen Dank unseres Fahrers, an dem mal wieder ein Rallyefahrer verloren gegangen war, gut voran.

Die Landschaft war wieder nett und schön hügelig und überhaupt sah es entlang der Straße hier auch diesmal deutlich besser und gepflegter aus, als zum Beispiel in Peru oder Bolivien. Nicht nur der Straßenbelag ist top in Schuss, sondern es gibt auch SOS-Säulen, nette Bepflanzung, Leitplanken und überaus ansehnliche Raststätten, so dass wir wirklich gerne aus dem Fenster schauten. Damit hatten wir ehrlicherweise gar nicht gerechnet.

Im weiteren Verlauf wurde dann jedoch die Straße erneuert/ verbreitet, so dass es mehrere Baustellen gab, an denen wir oft kurz, einmal aber auch fast 45 Minuten warten mussten. Glücklicherweise lief im Wagen die Klimaanlage, so dass das Warten halbwegs gut zu ertragen war.

Nachdem wir die Baustellen endlich hinter uns gelassen hatten, hielten wir an einer der netten Raststätten für eine Pause, was auch notwendig war, da es in dem Sprinter, anders als in den Überlandreisebusse, keine Toilette gab. Hier gab es auch nette kleine Snacks und frisch gepressten Saft und wir genossen die kurze Auszeit unter einem der Ventilatoren.

Nach rund 20 Minuten ging es weiter, nun waren es noch rund zwei Stunden bis nach Medellín. Unser Fahrer, der offensichtlich durch die vorangegangenen Baustellen und die damit einhergehende langsamere Geschwindigkeit Nachholbedarf hatte, gab nun nochmal alles. Er überholte ohne Rücksicht auf Verluste und schnitt die Kurven, von denen es wirklich mehr als genug gab, so stark, dass uns zwischendurch fast ein wenig übel wurde und das, obwohl wir da sonst eigentlich wirklich hart im Nehmen sind.

Pünktlich um halb drei erreichten wir schließlich den Terminal de Sur in Medellín, von wo wir uns direkt ein Taxi zu unserem Hotel nahmen.

Dort angekommen, gönnten wir uns erstmal eine – glücklicherweise (zu) heiße – Dusche, danach erholten wir uns ein wenig von der Fahrt und bereiteten uns auf die nächsten Tage hier vor, die wahrscheinlich ziemlich anstrengend werden.

Abends gingen wir nochmal vor die Tür und gönnten uns – für unser Budget eigentlich zu teure – Bowls, die unglaublich lecker schmeckten und die Verschwendung absolut wert war.

Immer noch müde von der Fahrt gingen wir dann relativ zeitig ins Bett.

Free Walking und Metro Tour

Nach einer ungewohnt tropischen Nacht, kamen wir heute morgen irgendwie nur schwer in die Gänge. Zum Faullenzen war allerdings keine Zeit, denn heute war es mal wieder Zeit für eine Free Walking Tour, diesmal im Centro Historicó von Medellín.

Da es morgens noch einigermaßen kühl war, beschlossen wir die knapp 30 Minuten zum Treffpunkt zu Fuß zu gehen.

Am Ziel angekommen, mussten wir dann nicht lange warten und wurde der Gruppe von Dio zugeteilt, der sich bereits wenige Minuten später mit uns auf den Weg machte.

Wir gingen nicht weit und ließen uns bald auf einer schattigen Treppen nieder, wo die Tour mit einer “Einführung” zu Medellín begann, die uns quasi sofort mitten in die kolumbianische Realität katapultiere.

Medellín, in den Jahren der spanischen Eroberung nur ein kleines Dorf, für das sich – mangels Lage und fehlen Goldes – von den Eroberern niemand interessierte, wurde aufgrund des Kaffeeanbaus und der Inbetriebnahme einer Bahnstrecke ab den 1880-iger Jahren zu einer der wichtigsten Industriestädten des Landes.

Der Stadt ging es gut, bis in den 50er Jahren die Zölle auf ausländischen Alkohol und Zigaretten so stark erhöht wurden, dass sich ein riesiger Schwarzmarkt etablierte, der im weiteren Verlauf dann auf das Drogengeschäft mit Kokain ausgeweitet wurde.

In den 1970er Jahren arbeitete sich schließlich Pablo Escobar an die Spitze des Drogenhandels und vereinte die verschiedenen Fraktionen unter seiner Führung. Spätestens damit versank Medellín im Sumpf der Gewalt und galt bis in die späten 90er als die gefährlichste Stadt der Welt.

Die Geschichten, die uns Dio aus seiner Kindheit schilderte, Leichen, die seinen Weg zur Schule säumen, Schießereien, die ihn zwangen sich unter dem Bett zu verstecken, Verwandte und Bekannte, die einfach erschossen wurden, waren kaum zu glauben und es breitete sich betretene Stille aus.

Zu Recht, wie wir finden, kritisierte er deutlich, dass Pablo Escobar, der für den Tod von unzähligen, zumeist unschuldigen Menschen verantwortlich war, heutzutage teilweise glorifiziert und selbst im Fernsehen als “nicht so schlimm” dargestellt wird.

Doch wir stünden heute nicht sorgenfrei in Medellín, wenn sich nicht etwas geändert hätte und um darüber mehr zu erfahren dafür zogen wir nun weiter.

Zunächst ging es an den heutigen Regierungsgebäuden vorbei, die im Baustil des Brutalismus errichtet wurden und – zusammen mit der gigantischen, abstrakten Skulptur über die Geschichte Kolumbiens – ziemlich eindrucksvoll waren.

Danach erreichten wir den Parque de las Luzes, wo wir zunächst einen weiteren Ausflug in die gewalttätige Geschichte Kolumbiens machten, die maßgeblich von den rechten Paramilitärs, der linken FARC, den Drogenkartellen und der kolumbianischen Regierung geprägt war. In dieser Zeit, die auch “La Violencia” genannt wird, starben durch die verschiedenen Konflikte um die 200.000 unschuldige Zivilisten.

2005 schaffte es die Regierung jedoch zuerst einen Friedensvertrag mit den Paramilitärs zu schließen, so dass diese sich danach fast vollständig auflösten und 2016 folgt der – inländisch stark umstrittene – Friedensvertrag mit der FARC. Die schlimme Drogengewalt wurde schließlich durch ein Auslieferungsabkommen mit den USA eingedämmt, durch welches der Transport und Verkauf von Kokain durch mexikanische Kartelle übernommen wurde und in Kolumbien “nur noch” der – in der Regel relativ gewaltfreie – Anbau stattfindet.

Nun, an unserem nächsten Stopp, war es endlich an der Zeit über die Transformation Medellíns nach Pablo Escobar und der gewalttätigen Vergangenheit zu sprechen, die maßgeblich 2004 mit dem Bürgermeister Sergio Fajardo Valderrama begann.

Dieser brachte zum einen mit einer großangelegten Bildungskampagne Bibliotheken und Beschäftigungsmöglichkeiten in die Stadt, sorgte dafür, dass Einrichtungen für Obdachlose geschaffen wurden und wertete die ärmsten Stadtteile und schlimmsten Plätze durch architektonisch anspruchsvolle Bauprogramme optisch auf.

Ein Beispiel dafür ist u.a. der Parque de las Luzes, der früher als einer der gefährlichsten Plätze der Stadt galt und nun nach der Transformation mit seinen riesigen, nachts weiß leuchtenden LED-Säulen, ein Symbol für Hoffnung und damit auch ein beliebter Treffpunkt für Touristen und Einheimische ist.

Absolut positiv gestimmt, ging es für uns nun weiter in einen großen lokalen Indoormarkt, der in einem der wenigen noch verbleibenden historischen Gebäuden der Stadt untergebracht ist. Hier hatten wir kurz Zeit für eine Toilettenpause und einen der leckeren, frischen Säfte.

Unser nächster Stopp war dann die Plaza Botero, auf der sich zum einen der – zumindest teilweise – unglaublich hübsche Palacio de la Cultura Rafael Uribe Uribe und zum anderen auch 23 Skulpturen des kolumbianischen Künstlers Fernando Botero befinden.

Anschließend lernten wir von Dio noch, dass Kolumbianer trotz der vielen schrecklichen Erlebnisse immer so fröhlich und gut gelaunt sind, weil sie sich aktiv dafür entschieden haben, sich auf die positiven Dinge zu besinnen und sich daher auch über Kleinigkeiten (wie z.B. eine einzige, gewonnene Etappe bei der Tour de France) übermäßig freuen.

Ein Beispiel dafür sei auch die Metro, zu der hier neben zwei Straßenbahnlinien auch sechs Seilbahnlinien zu den Armenviertel und eine Tramlinie gehört. Diese sei für die Einwohner der Stadt ein Symbol der Hoffnung und ein Strohhalm in dunklen Zeiten gewesen, so dass sie auch heute noch mehr als sorgfältig behandelt wird.

Wir konnten das übrigens später bestätigen, die Metrostationen und die Bahnen sind so sauber, wie wir es noch nie gesehen haben. Alle Böden wirken wie frisch gereinigt, es liegt nirgends Müll herum, es gibt weder Kritzelein, noch Ritzereien oder sonstigen Verunstaltungen, es ist einfach nur klinisch sauber. Sehr beeindruckend!

Wir beendeten unsere Tour an der Plaza de San Antonio, wo 1995 durch einen Bombenanschlag während eines Konzertes 29 Menschen getötet wurden, als ein – auch heute noch – Unbekannter, eine Bombe in einer der Skulpturen von Fernando Botero platziert wurde.

Heute erinnern hier die zerstörte Skulptur und ein heiler Nachbau nicht nur an die schreckliche Tat, sondern sie sollen auch die Vergangenheit und die Zukunft symbolisieren.

Wir fanden, dass dies ein schöner Abschluss der Tour ist, insbesondere als Dio uns bat unseren Familien, Freunden und Bekannten von der Transformation zu berichten, die Medellín und auch ganz Kolumbien in den letzten Jahren durchgemacht hat, um so das Land, die Stadt und auch die Menschen von dem Stigma zu befreien, dass seit vielen Jahren auf ihnen liegt.

Eine wirklich tolle Tour, die nur zum empfehlen ist!

Danach war es Zeit Abschied zu nehmen. Dio zeigte uns noch schnell, wo wir die besten Buñuelos, so heißen nämlich diese unglaublich leckeren Bällchen/ Teigkrapfen, die heute sogar mit Mozzarella gefüllt waren, kaufen können, dann ist die Tour nach über vier Stunden vorbei und wir blieben mit einem halben freien Tag zurück.

Obwohl wir eigentlich von der Tour und dem Wetter ziemlich kaputt waren, stiegen wir dennoch in die Metro und machten uns auf den Weg zum Parque Arvi, einem riesigen Waldschutzgebiet oberhalb der Stadt.

Dafür müssten wir erst einige Station in der – leider sehr warmen – Metro zurücklegen und anschließend in die Seilbahn umsteigen.

Diese brachte uns über drei Station und diverse Armenviertel hoch bis nach Santo Domingo, wo wir in eine weitere Seilbahn umsteigen mussten. Auch in dieser ging es immer weiter bergauf, bis wir den Berg dann schließlich besiegt hatten und die Seilbahn eher eben durch/ über den dichten Wald schwebte. Ein netter Anblick.

Oben angekommen, war es endlich deutlich kühler, als in der Stadt und obwohl wir keine Lust hatten uns in dem Park umzusehen, genossen wir die Abkühlung. Leider gab es – abgesehen von Wanderungen durch den Wald – nicht besonders viel zu tun oder sehen, insbesondere entpuppte sich der im Internet angepriesene Markt nicht als sinnvoll, um den Mittagshunger zu stillen, also machten wir uns schon bald an den Rückweg.

In der Metro wurden wir dann tatsächlich noch Zeugen von einem Großbrand, der sich heute in einem Lagerhaus ereignete, sonst passierte auf der Rückfahrt allerdings nichts besonderes mehr.

Gegen halb fünf waren wir endlich wieder im Hotel, wo wir uns erstmal eine Dusche gönnten. Kurz danach machten wir uns allerdings direkt auf den Weg, denn da der Mittagssnack mit einem Buñuelo ziemlich mager ausgefallen war, waren wir am Verhungern.

Nach dem fancy Abendessen von gestern, dürstete es uns heute nach fettigem Fastfood, das man in Kolumbien, ebenso wie schon in Peru, unglaublich gut in einer Pollería bekommt. Wir fanden eine direkt um die Ecke, die für circa 11,- EUR Hähnchen en masse plus Beilagen anbot. Lecker!

Danach waren wir mehr als satt und fielen im Hotel zufrieden und müde ins Bett.

Exotic Fruits und Communa 13 Tour

Aufgrund der leicht kühleren Temperaturen hatten wir diese Nacht viel besser geschlafen und konnten uns so am Morgen frisch erholt auf den Weg zu unserer nächsten Tour machen.

Nach ganz viel Geschichte stand erstmal ein wenig Kontrastprogramm an, denn für uns ging es heute auf die Plaza Minorista, wo sich der zweitgrößte Fruchtmarkt Medellíns befindet. Der Markt ist riesig und besteht aus mehreren Etagen und gefühlt aus Hunderten von Gängen. Bereits seit 1984 verkaufen hier über 3.000 Verkäufer alle gängigen und nicht-gängigen Obst- und Gemüsesorte zu günstigen Preisen.

Die Plaza Minorista ist damit der perfekte Ort für die Exotic Fruits Tour, auf der wir einige der einheimischen Früchte Kolumbiens näher kennenlernen und natürlich auch probieren wollten.

Schon in Bolivien und Peru waren Fruchtsnacks und -shakes ziemlich beliebt, aber seit wir in Kolumbien sind, kommen wir an Früchten egal in welcher Art und egal in welchem Zustand nicht mehr vorbei. Sie werden so ziemlich an jedem Straßenstand angeboten und Shakes (wahlweise mit Wasser oder Milch) gibt es an jeder Ecke.

Obwohl nicht alle Früchte, die uns auf unserem Weg so begegnen, ursprünglich aus Kolumbien kommen, wird mittlerweile der Großteil von ihnen im Land angebaut, so dass die Produkte in der Regel frischer als frisch sind. Zudem gibt es aufgrund der perfekten klimatischen Bedingungen eine unglaubliche Vielfalt an tropischen Früchten, von denen wir einige, wie z.B. Mango, Papaya oder Ananas gut kennen, andere jedoch noch nie gesehen haben. Wir waren also gespannt.

Pünktlich wurden wir von unserer Führerin Diana eingesammelt und erfuhren, dass wir heute die einzigen Teilnehmer sein würden. Eine private Tour also, absolut perfekt!

Nach einer kurzen Einführung wurden wir zu den ersten Ständen geführt, wo wir Tomates de Arból (Tamarillo/ Baumtomate), Algarrobas (Johannisbrot) und Chontaduros (Pfirsichpalmenfrucht) probieren durften. Dabei erklärte uns Diana auch, wie wir reife Früchte erkennen, die verschiedenen Sorten essen und die Früchte ggf. vor dem Verzehr erst noch zubereiten müssen.

Alle haben uns auf ihre Art gut geschmeckt, wobei uns das Johannisbrot besonders in Erinnerung bleiben wird: Zum einen, weil die Schale so hart war, dass Kai sie mit einem Hammer öffnen musste und zum anderen, weil das Fruchtfleisch so trocken und pulverig war, dass es uns den gesamten Mund verklebte.

Chontaduros probierten wir heute zu ersten Mal, aber gesehen haben wir sie schon unglaublich oft, denn sie werden überall an den Straßenständen verkauft. Der Grund ist simpel: Es wird ihnen nachgesagt, dass sie, über mehrere Wochen auf nüchternen Magen gegessen, eine testosteronsteigernde und damit aphrodisierende Wirkung haben sollen, was mittlerweile auch wissenschaftlich bewiesen wurden.

Am nächsten Stand durften wir dann drei von den vielen verschieden Varianten von Passionsfrüchten probieren, die hier in Kolumbien angebaut werden.

Zuerst die sehr süße Granadilla, deren Schale so spröde ist, dass Kinder in Kolumbien sie aufbrechen, indem sie sich die Früchte an die Hinterköpfe “schlagen”, was wir direkt ausprobieren und was wunderbar funktioniert. Danach die leicht saurere Passionsfrucht und abschließend die ziemlich saure Maracuya, die ich fast alleine essen durfte, da sie Kai nicht schmeckte.

Nachdem uns bis hierhin alles mehr oder weniger gut geschmeckt hatte, gab es danach dann den ersten, kleinen Aussetzer: Die Feijoa (brasilianische Guave), deren Fruchtfleisch leicht seifig und künstlich und deren Schale seifig und minzig schmeckte und damit insgesamt überhaupt nicht unser Fall war.

Als Wiedergutmachung gab es danach jedoch eine Mangostino (Mangostane), deren Fruchtfleisch wieder sehr süß und lecker schmeckte und die wir schnell als eines unserer Highlights auserkorene. Sie wird hier in Kolumbien jedoch auch nicht regelmäßig gegessen, da ein Kilo davon selbst zur Saison über vier Euro kostet. Zum Vergleich: Die anderen Früchte lagen durchschnittlich eher bei einem Euro pro Kilo.

Anschließend gab es zur Abwechslung mit Physalis dann auch etwas bekanntes, wobei die hiesige Variante ein gutes Stück größer war und einen viel aromatischeren Geschmack hatte. Dies verwundert auch nicht, denn die Früchte werden hier in der Nacht angeliefert und waren vor wenigen Stunden “noch am Baum”, während sie bei uns im Zweifel bereits einige Tage alt sind bzw. im Gewächshaus gezogen werden.

Anschließend gab es dann einen kurzen Einblick in die kolumbianische Erziehung mittels Früchten: Die Zapote (Kolumbianische Sapote) wird laut unserer Führerin gerne lauten Kindern zum essen gegeben, denn da das Fruchtfleisch an einem sehr großen Kern hängt, kann man nicht sprechen, während man daran herum lutscht.

Wir fanden sie sehr lecker, jedoch war es ziemlich lästig an das wenige Fruchtfleisch zu kommen, während wir den fast pflaumengroßen Kern im Mund hatten.

Als letzte Frucht probierten wir schließlich eine gelbe Drachenfrucht, die anders als die nach Europa exportierte rote Variante sehr intensiv schmeckte. Uns wurde jedoch geraten nicht zu viele davon zu essen, da sie eine abführende Wirkung haben soll, die bereits beim Genuss von wenigen Früchten einsetzt.

Die Tour endete an einem Stand, wo aus den Früchten des Marktes Fruchtsäfte zubereitet wurden. Kai versuchte sich zunächst einen Saft mit Borojó, der ähnlich wie ein Milchshake schmeckte und danach noch an einen mit Guanábana (Stachelanmedianfrucht/ Sauersack), der süßlich und sehr lecker war, während meine Variante aus Baumtomaten eher leicht säuerlich, aber erfrischend war.

Danach war die Tour leider vorbei und es hieß Abschied von Diana und dem Fruchtmarkt zu nehmen. Da Früchte und Fruchtshakes für Kolumbianer zum täglichen Leben gehören und es hier zum Beispiel auch üblich ist, sich zum Essen einen Fruchtshake und nicht ein Wasser oder eine Cola zu bestellen, haben wir – neben den Infos zu den Früchten – durch die Tour auch einen weiteren Einblick in das kolumbianische Leben und die Kultur bekommen.

Danach war der Tag allerdings noch nicht vorbei, denn für uns stand noch eine weitere Tour auf dem Programm. Dafür machten wir uns, nach einem kurzen Boxenstopp im Hotel, auf den Weg in die Comuna No. 13 San Javier (kurz: Comuna 13), die sich größtenteils an den steilen Außenhängen der Stadt befindet und die eine der 16 Comunas von Medellín ist.

Die Touren hier sind seit einiger Zeit das Top Highlight in Medellín, was daran liegt, dass die Communa eines der gefährlichsten Viertel in der gefährlichsten Stadt der Welt war, heute jedoch das Vorzeigeobjekt für die oben bereits beschriebene Transformation ist.

Dies ist für uns unübersehbar, als wir ganz in der Nähe unseres Treffpunktes aus dem Uber steigen: Die Straße ist gesäumt von Straßenständen und Läden, überall ist laute Musik und unzählige Touristen schlendern entspannt durch die Straßen.

Dies war jedoch nicht immer so, wie uns unser Guide Diego, kurze Zeit später erklärte: Nachdem die Comuna zunächst als eine Art Auffangstation für diejenigen Menschen diente, die in den 50er Jahren in den ländlichen Gebieten von der FARC vertrieben wurden und die hier in einfachsten Behausungen lebten, entdeckten in 70er Jahren die verschiedenen gewalttätigen Gruppieren das Gebiet für sich.

Aufgrund ihrer Lagen an den westlichen Berghängen der Stadt hatte die Comuna 13 den direktesten Zugang zu den Häfen im Pazifik, perfekt also für alles, das geschmuggelt werden musste, insbesondere natürlich Drogen und Waffen. Irgendeine Gruppe kämpfte daher immer um die Vorherrschaft hier, doch egal welche gerade an der Macht war, die Gewalt blieb und Morde, Entführungen, Korruption und allgemeine Gewalt waren an der Tagesordnung.

Im Jahr 2002 beherrschte schließlich die FARC das Gebiet, womit die Comuna das letzte Stadtviertel im gesamten Land war, in dem die Guerilla noch präsent war. Der damalige Präsident Álvaro Uribe Vélez entschied schließlich die FARC gewaltsam zu vertreiben und ordnete am 16. Oktober 2002 die Operación Orión an.

Hubschrauber, Panzer und stark bewaffnete Solaten fielen mit Unterstützung der rechten Paramilitärs in die Comuna ein und schossen auf alles, was sich bewegte, wobei die Getöteten am Ende überwiegend die unschuldige Bewohner waren und sich die Rebellen bereits vor dem Angriff in die Berge zurückgezogen hatten. Zur Vertuschung und zur Rechtfertigung des Angriffs zogen die Soldaten den Leichen der Zivilsten nachträglich daher einfach Uniformen der Guerilleros an.

Der Angriff dauerte vier Tage, viele Menschen starben, noch mehr sind bis heute vermisst. Es wird vermutet, dass die Leichen und die Verschwundenen auf einer Bauschuttdeponie vergraben wurden, die an einem Berghang liegt und die überall von der Comuna 13 aus gut sichtbar ist, eine Aufklärung erfolgte jedoch bis heute nicht.

Trotzdem kam im Anschluss die Wende, denn – wahrscheinlich auch aufgrund des schlechten Gewissens – investierte die Stadt Medellín während der Transformation besonders in die Communa 13. Da nicht überall an den Hängen Seilbahnen gebaut werden konnten, bekam die Communa stattdessen elektrische Freiluftrolltreppen, mittlerweile sechs Linien, die knapp 28 Stockwerke überwinden und die für die Menschen hier Mobilität und Anschluss bedeuten, die aber auch für den Touristenboom verantwortlich sind.

Daneben wurde außerdem die HipHop und Streetartkultur und Kunst im allgemeinen gefördert und überall auf der Straße können wir Jugendlichen sehen, die Rappen, (unglaublich gut) Breakdancen oder Sprühen.

Graffitis und Murals gibt es hier unzählige. Einst waren sie dafür da, die grausamen Geschichten zu verarbeiten und das zu erzählen, was niemanden erzählt werden konnte. Auch heute sind viele der bunten Wandbilder noch politisch und/ oder haben Symbolcharakter, aber mittlerweile gibt es auch viele Graffitis, die “nur” der Dekoration und sogar der Werbung dienen.

Zudem gibt es mittlerweile hier auch viele “Sehenswürdigkeiten”, die nur für den Tourismus geschaffen wurden, so zum Beispiel die Neon-Graffitis oder die Wände, an denen die Besucher, so wie wir auch, selbst einmal die Sprühflasche in die Hand nehmen und sich verewigen dürfen.

Nachdem wir die touristischen Straßenzüge hinter uns gelassen haben, führte uns Diego für den Rückweg durch die “normalen” Behausungen der Comuna, die mit ihren fehlenden Fenstern und Türen, die die Bewohner dafür umso mehr mit Blumenkästen oder Gardinen kaschieren noch herzzerreißend anders aussehen, als der aufgehübschte Teil des Viertels. Hier wird auch nochmal deutlich, dass die Comuna mit geschätzt knapp 200.000 Bewohner auch einer der (zu) dicht besiedelten Stadtteile Medellíns ist.

Trotzdem spiegelt das Leben hier heute in weiten Teilen nicht mehr die Realität der vielen, wirklich armen Paisas, wie sich die Bewohner Medellíns bezeichnen, wieder. So sagte schon unser Guide Dio gestern: So wie in der Comuna 13 leben die meisten Menschen hier in Medellín nicht, das ist keine authentische Erfahrung mehr.”

Wir glauben dies sofort, dafür wirkt das Viertel einfach zu touristisch, trotzdem fanden wir die Tour wieder einmal sehr lehrreich und interessant und vor allem war es schön zu sehen, was an Transformation möglich ist und wie sich das Leben von Tausenden von Menschen innerhalb weniger Jahren zum Positiven verändern kann.

Nach der Tour waren wir allerdings sehr müde und durchgeschwitzt und freuten uns, als wir endlich wieder im Hotel angekommen waren. Da es schon recht spät war, machten wir uns nach einer Dusche wieder auf den Weg, um noch einmal zum dem großen Einkaufszentrum zu schlendern.

Hier besorgten wir uns einen paar Chinanudeln zum Abendessen, hoben das nötige Bargeld für die nächsten Tage an der Karibikküste ab und machten noch einige wichtige Besorgungen, denn – im Gegensatz zu Peru – gibt es hier in Kolumbien tatsächlich wieder richtige Supermärkte, wo wir auch Produkte wie Zahnbürstenköpfe, Rasierklingen o.ä. bekommen. Echter Luxus.

Danach passierte dann nicht mehr viel und wir fielen müde von dem Tag recht früh ins Bettchen.

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