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29.05.2023: Camino Frances: Kilometer 706 bis 774

Es ist vollbracht! Nach 31 Tagen, 774 Kilometern, 9.503 Höhenmeter im Auf- und 9.589 im Abstieg, acht Kilometern mit dem Bus erreichen wir endlich Santiago de Compostela.

Als “Belohnung” für unser Durchhaltevermögen erhalten wir im Pilgerbüro sowohl die Compostela, die uns den Besuch der Kathedrale von Santiago de Compostela und damit das Ende unserer Wallfahrt auf dem Jakobsweg bescheinigt, als auch die erst vor einiger Zeit eingeführte Kilometerbescheinigung Certificado de Distancia.

Wie bereits erwartet, bleibt das große Erfolgsgefühl leider aus, dafür sind wir aber unendlich froh, dass es nun endlich geschafft ist.

Trotz des ganzen Ärgers haben wir am Ende zwei Erkenntnisse gewonnen 1. Wir sind sture Esel und 2. wir haben für den Weg offensichtlich einfach zu wenig “Päckchen” mitgebracht. Dies ist einerseits natürlich mehr als gut und macht uns zu schrecklich glücklichen Menschen, andererseits hatten wir deshalb wohl zu viel Zeit uns über den Weg zu ärgern 🙂

Eines ist und bleibt am Ende jedoch sicher: Auf den Camino kehren wir nie wieder zurück!

Etappe 29: Palas de Rei bis Arzúa
28,24 km, 425 m, 596 m, 05:42 Std.

In unserer Unterkunft konnten wir überraschend gut schlafen, obwohl der Wecker – wie eigentlich immer – viel zu früh klingelte. Heute standen knapp 30 Kilometer auf dem Plan die vorletzte lange Etappe, die wir auf dem Camino laufen würden.

Nach Kaffee, Dusche und Frühstück kamen wir bereits um 07.15 Uhr los, doch obwohl die Strecke heute ziemlich lang war, passierte eigentlich nichts von Interesse. Der Weg führte durch die immer flacher werdende Ackerlandschaft, wobei wir in unregelmäßigen Abständen durch diverse kleinere und größere Dörfer kamen.

Positiv anzumerken ist, dass wir scheinbar die für Viehwirtschaft geeigneten Böden hinter uns gelassen hatten, was der Luft die bisher ständig präsente Kuh-Note nahm. Außerdem wachsen hier gerade Wildblumen, was hübsch ist.

Weil wir den Tag so schnell wie möglich hinter uns bringen wollten, hielten wir neben einer kurzen Toilettenpause nur noch einmal an, um unser selbst zubereitetes Bocadillo zusammen mit Kaffee herunterzubringen.

Übrigens finden wir seitdem wir in Galizien sind mehr Wegweiser, als jemals zuvor. Sie stehen an jeder Kreuzung oder nur ansatzweisen unklaren Stellen und manchmal sogar auf endlos geraden Strecken ohne Abzweigungen.

Leider ist auf jedem dieser Marker auch angeschrieben, wie weit es noch bis nach Santiago ist, und zwar auf den Meter genau! Auf dem Papier mag das eine gute Idee sein, aber in Wirklichkeit ist es enorm frustrierend, wenn man alle 100 bis 300 Meter daran erinnert wird, dass man nicht besonders weit gekommen ist und noch ziemlich weit gehen muss.

Im Gegensatz zu dem Übermaß an Ausschilderung gibt es dann allerdings auch Stellen, wo ein weiterer Pfeiler einen Alternativweg vorschlägt. Auf diesem steht jedoch keine Kilometerangabe, sondern nur “Complementario”, also Ergänzungsweg.

Ein wenig mehr Information, vor allem zu der Kilometerangabe und was auf diesem Weg zu erleben ist, wäre sicherlich nicht nur für uns hilfreich und eine enorm wichtige Entscheidungshilfe.

Die heutige Unterkunft war, mea culpa, wieder eine mit einem Gemeinschaftsbad und als ob dies nicht schon Strafe genug wäre, kam kurz nach uns eine junge Familie mit einem hyperaktiven und ewig quengelnden Kind an.

Dieses lief zunächst mehrere Stunden laut schreiend auf dem Flur auf und ab, bis sich die Familie zum Essen in die Gemeinschaftsküche zurück zog. Aber auch dort war der kleine Wonnepropen nicht zu bändigen und versüßte uns weiter unseren Aufenthalt.

Gegen 17.00 Uhr verließen wir die Wohnung und fanden nach etwas Suchen auch ein Lokal, wo wir zu dieser unchristlichen Zeit Abendessen serviert bekamen. Über die Essensqualität möchte ich hier keine Worte verlieren, aber wenigstens waren wir im Anschluss einigermaßen satt.

Anschließend kehrten wir zu unserer Herberge, wo sich die Familie in ihr Zimmer zurück gezogen hatte und es sehr ruhig war. Da Yasmin den ganzen Weg schon Probleme mit ihrer Schulter hatte, entschlossen wir uns, ihren Rucksack morgen per Transport zu unserer nächsten Herberge schicken zu lassen, so dass wir ihn großzügig mit allen schweren Dingen vollstopften, damit meiner, den wir mitnehmen würden, etwas leichter war.

Im Anschluss ging ich noch einmal los zum örtlichen Supermarkt, um Frühstück und Mittagessen für Morgen zu besorgen – Brot mit Käse und Schinken… Nach dem Camino freuen wir uns sehr darauf, erstmal kein belegtes Baguette vom Vortag mehr essen zu müssen.

Dann sahen wir uns noch eine Serie an und gingen schlafen.

Etappe 30: Arzúa bis Lavacolla
29,25 km, 376 m, 465 m, 06:10 Std.

Heute war unser letzter richtiger Wandertag auf dem Camino, so dass wir wieder um 06.00 Uhr vom Wecker geweckt wurden. Leider hatten wir beide nicht so gut geschlafen, da der Familienvater gestern Abend sein laut heulendes Kind noch bis etwa 22.30 Uhr angebrüllt hatte. Glücklicherweise war unser Zimmer etwas von ihrem entfernt, so dass sich der Lärmpegel in Grenzen hielt, aber schlafen konnten wir trotzdem nicht.

Nachts wurden wir dann zusätzlich auch noch mehrfach durch sich lautstark unterhaltende Pilger auf der Straße aufgeweckt. Außerdem hatte ich gestern Abend noch starken Durst, so dass ich viel zu viel Cola getrunken hatte, was ebenfalls die Nachtruhe störte. Es kam einfach alles zusammen…

Um 07.30 Uhr verließen wir als letzte unsere Unterkunft und machten uns im dichten Morgennebel auf den Weg, der uns wieder die wunderbare Vielfalt spanischer Äcker näher brachte.

Mit uns zog eine schier endlose Anzahl von Pilgern in Richtung Santiago. Egal wie viele Menschen wir überholten, es tauchten einfach immer wieder neue auf.

Den ganzen Morgen über war das Wetter leicht neblig und angenehm kühl. Dies änderte sich nach etwa drei Stunden, als die Sonne hervorkam und es recht plötzlich sehr warm und schwül wurde. Das war eindeutig nicht unser Wetter, so dass wir kurze Zeit später eine unplanmäßige Pause machten und uns etwa zehn Minuten auf eine Bank setzten.

Danach ging es uns beiden besser und wir setzten den Weg fort. Nach etwa 20 Kilometern erreichten wir das eigentliche Etappenziel O Pedrouzo, wo offensichtlich gefühlt auch 95 Prozent der Pilger blieben, zumindest war der Weg nach dem Dorf wie leergefegt.

Unser Mittagessen nahmen wir zusammen mit Kaffee und einer Cola um kurz nach 12.00 Uhr in einem Café ein, dass noch 15 Kilometer von Santiago de Compostela entfernt war.

Danach ging es erstmal gemächlich weiter, denn Yasmins Waden schmerzten so stark, dass sie die nächsten 200 Meter nur humpelnd und auf die Stöcke gestützt gehen konnte. Das ließ mir ausreichend Zeit, um die Situation zu kommentieren und aufmunternde Worte zu sprechen 😉

Obwohl es ab dem Café nur noch fünf Kilometer bis zu unserer Herberge waren, zog sich die Strecke wieder ewig in die Länge. Zwar konnten wir Santiago nun erstmalig in der Ferne sehen, allerdings mussten wir einen längeren Umweg gehen, um den hiesigen Flughafen zu umrunden.

Als wir in Lavacolla angekommen und noch etwa 500 Meter von der Herberge entfernt waren, fuhr ein Transporter an uns vorbei. Die Aufschrift kannten wir, es war der Koffer-Transportdienst, den wir für Yasmins Rucksack genommen hatten.

Als Rucksäcke bei einem anderen Hotel ausgeladen wurden, überholten wir den Transporter und konnten Yasmins Rucksack sehen, der noch darin lag. Kurze Zeit später kamen wir in der Herberge an, wo er bereits auf uns wartete.

In unserem Zimmer beschäftigten wir uns bis 18.30 Uhr, als es Abendessen gab. Da alle Tische belegt waren, setzten wir uns zu einer freundlichen, über 70-jährigen Norwegerin, mit der wir über – wirklich – alles Mögliche redeten.

Danach ging es früh ins Bett, da wir die letzten Tage sehr schlecht geschlafen hatten.

Etappe 31: Lavacolla bis Santiago de Compostela
10,49 km, 118 m, 152 m, 01:48 Std.

Der letzte Tag unseres Leidensmarsches nach Santiago war endlich gekommen. Freudig sprangen wir mit dem Weckerklingeln aus dem Bett, um den Tag willkommen zu heißen… Oder auch nicht.

Wie jeden Morgen war das Aufstehen auch heute wieder ein Motivationsakt, der einfach nicht besser werden wollte. Wenigstens war dies der letzte Tag an dem wir bereits um kurz vor sechs Uhr von unseren Pilgernachbarn geweckt werden sollten.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den trüben und morgenvernebelten Weg. Obwohl wir nicht mehr als zwei Stunden laufen mussten, hatten wir bereits nach einer halben Stunde keine Lust mehr. Der Weg machte uns das auch nicht schwer, denn besonders hübsch war es mal wieder nicht.

Eine witzige Sache haben wir hier aber noch gesehen: Nordspanier gehen ja grundsätzlich ziemlich auf Brot ab. Baguettes und ähnliches bekommt man hier in jedem Supermarkt, wir haben schon mehrere mobile Brottransporter gesehen und auch vor Türen und auf Fensterläden liegen häufig abgestellte Baguettestangen.

Was liegt da also näher, als ein Brotbriefkasten? 😀

Nach etwa anderthalb Stunden – gefühlt also anderthalb Stunden zu spät – erreichten wir Santiago de Compostela, dass uns bereits auf den ersten Blick mit seinem Kleinstadtcharme verzauberte…

Kurze Zeit später erreichten wir schließlich auch ein nicht zu übersehendes Stadtschild, dass offensichtlich jedem Pilger klar machen sollte, in welcher Stadt er sich nun befindet.

Stoisch gingen wir weiter, wobei wir überhaupt nicht damit zufrieden waren, dass wir noch über drei Kilometer zu absolvieren hatten. Selbst in Santiago zog sich der Weg also noch ewig.

Dann hatten wir es aber endlich geschafft und standen vor der Kathedrale. Wir waren erleichtert, dass wir es nun endlich hinter uns hatten.

Kurze Zeit darauf wechselte unser Gefühlszustand allerdings zu verwirrt, denn wir wollten gerne unsere Compostela abholen, wussten aber nicht wo. Wir hatten eigentlich erwartet, dass das Pilgerbüro mehr als ausreichend ausgeschildert sein würde, dem war aber leider nicht so.

Wir fragten uns durch und erreichten schließlich das Gebäude. Klug wie wir sind, hatten wir die notwendige Gruppen-Registrierung bereits durchgeführt und zeigten dem Wachmann stolz den einen QR-Code, den wir für uns beide per Email bekommen hatten. Er war allerdings wenig beeindruckt und meinte, dass wir beide einen bräuchten, also insgesamt zwei.

Wieso man sich als Gruppe registrieren kann, dann aber trotzdem jeder einen Code braucht, erschloss sich uns zwar nicht, aber letztendlich überstieg die Diskussion dann auch unsere Sprachkenntnisse und wir fügten uns den Gegebenheiten.

Immerhin war der Wachmann so nett, uns an einen der Computerterminals zu lassen, wo wir unsere Registrierung erneut durchführen durften. Mit den dadurch gewonnenen neuen QR-Codes konnten wir uns dann endlich in die kurze Schlange zur Compostela-Vergabe einreihen.

Nach weniger als einer Minute standen wir schon an einem Schalter und nur kurze Zeit später hielten wir unsere Compostelas und die Certificados de Distancia in den Händen.

Von die Effizienz der Ausgabe waren wir sehr positiv überrascht, denn früher war es laut diversen Foren so, dass Pilger bereits vor 06.00 Uhr morgens vor dem Gebäude, das erst um 09.00 Uhr öffnete, Schlange standen und man mitunter mehrere Stunden warten musste, bis man die Urkunde bekam.

Es soll sogar Tage gegeben haben, da schaffte das Büro es nicht sämtliche Pilger abzuarbeiten und die letzten in der Schlange gingen dann ohne Compostela aus bzw. mussten Ihr Glück am nächsten Tag erneut versuchen.

Da bei uns alles so super schnell ging, hatten wir im Anschluss noch ewig Zeit, denn wir konnten erst um 14,00 Uhr in unser Hotel einchecken.

Wir waren furchtbar müde, dreckig und verschwitzt, weswegen wir auf eine Stadtbesichtigung nicht sonderlich Lust hatten und einen Großteil der Zeit auf den Stufen vor der Kathedrale bzw. später vor dem Hoteleingang verbrachten.

Ich versuchte zwischendurch die Zeit noch zu nutzen, um die Kathedrale zu besichtigten, musste aber unverdichteter Dinge wieder umkehren, da der Einlass aufgrund der Besuchermengen vorübergehend gestoppt wurde.

Nachdem wir dann endlich einchecken konnten, machten wir uns frisch und vertrieben uns die Zeit, bis wir auf 17.00 Uhr noch einmal kurz hinaus gingen, um in einem Sportgeschäft in der Nähe ein frisches Paar Trail-Runner für Yasmin abzuholen.

Ihr aktuelles Paar hatten nach über 1.400 Kilometer in Vietnam, Kambodscha, Australien, Neuseeland und nun auch Spanien die besten Zeiten hinter sich. Sie wollte unbedingt wieder ein Paar Cascadias von Brooks, weswegen sie sich diese schon letzte Woche in einem Geschäft in der Nähe hatte zurück legen lassen.

Auf dem Weg versuchten wir dann außerdem noch einen Frisör zu finden, der einerseits offen und nicht zu teuer war, sowohl Männer als auch Frauen bedient und zudem freie Termine in der nächsten halben Stunde hatte. Doch obwohl es hier gefühlt in jedem zweiten Gebäude eine Frisothek gibt, konnte keine alle unsere Bedürfnisse gleichzeitig erfüllen. Wir werden es also in Barcelona noch einmal versuchen.

Anschließend kauften wir noch Essen für heute Abend und die Zugfahrt morgen ein, dann ging es wieder zurück ins Hotel. Hier angelangt, bestellten wir Pizza bei Dominos, da wir bei der Google-Recherche kein Restaurant gefunden hatten, dass vor 19.00 Uhr öffnete…

Der restliche Abend verging mit Blogpflege und sonstigen Dingen.

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